Darstellung der Christkönig-Idee
Die
Saarbrücker Christkönig-Kirche müßte - zum weiteren Verständnis und im
Hinblick auf ihre bildnerische, architektonische und ikonologische
Bedeutung - im Zusammenhang der anderen damals entstandenen
Christkönig-Kirchen gesehen werden. Dies ist aber für diesen Aufsatz
eine zu weitausgreifende Thematik. - Es ist aber interessant
festzustellen, wie sehr sich sowohl der Bauherr wie auch der Architekt
um die theologische Fundierung und die symbolische
Darstellungsmöglichkeit der Christkönig-Idee bemühten. Dies geht fast
aus jeder Seite des Schriftwechsels und auch der damaligen Publikation
hervor. So berichtete bereits am 28. 6. 27 Colombo dem Dechanten Dr.
Johannes Schlich, daß er den in Bad Neuenahr weilenden Pater Otto
Cohausz S.J. aufgesucht und mit ihm eine ,,längere Unterhaltung über die
Idee des Christkönigtums” gehabt habe. Dabei ging es auch schon um die
Ausstattung der Kirche. Colombo schrieb dem Pfarrer, er habe sich alles
notiert und werde es überdenken. Pater Cohausz war so erfreut über das
Projekt, daß er sich über die Ausstattung der Kirche Colombo gegenüber
nochmals schriftlich äußerte. - Otto Cohausz (8. 9. 1872 -3. 6. 1938)
war als Jesuitenpater ein bekannter Volksmissionar und Konferenzredner.
Er hat ein umfangreiches Schrifttum hinterlassen. In unserem
Zusammenhang ist die Tatsache bedeutsam, daß er 1926 ein Buch mit dem
Titel „Jesus Christus, der König der Welt” herausgebracht hatte. In
diesem Buch hat er eine biblisch und dogmatisch orientierte Darlegung
der Christkönig-Idee dargeboten, die aber nicht frei ist von
zeitpolitisch gefärbten Vorstellungen des damaligen politischen
Katholizismus. Immerhin ist dieses Buch eine wertvolle Hilfe zum
Verständnis der Christkönig-Idee der 1920er und auch der 1930er Jahre.
Da die Aufzeichnungen Karl Colombos und auch die Briefe Cohausz’ an
Colombo verloren sind, wissen wir nicht, was damals in Neuenahr
besprochen wurde. Dennoch bleibt der Vorgang der Konsultation für uns in
der Rückschau interessant. Wir erkennen, daß der Architekt eine
theologische Beratung suchte, die über das vom Bauherrn Gesagte
hinausging. Die Lektüre des Buches von Cohausz gibt uns allerdings keine
Hinweise, die auch nur irgendwie ikonographisch verstanden werden
könnten; hier geht es eindeutig nur um die theologische Idee des
Königtums Christi. So wird man bei der Wertung des Neuenahrer Gesprächs
davon ausgehen müssen, daß auch hier die Idee des Königtums Christi im
Vordergrund stand, wenn auch von den Fragen der Ausstattung die Rede
war.
Anders wird das in den Gesprächen mit den Mönchen von Maria
Laach zugegangen sein. Diese standen dem von Pius XI. eingeführten
Christkönig-Fest und der aus der ,,actio catholica” und nicht aus der
Liturgie geborenen ,, Idee” des Königtums Christi reserviert gegenüber.
Sie sahen das Königtum Christi mehr biblisch und liturgisch
dargestellt, etwa im Festgeheimnis der Epiphanie. Ihnen war ein solch
artifizielles Fest im Gegensatz zum Fest eines biblischen Ereignisses
fremd. - Wie der Architekt oder der Pfarrer an die Laacher
Kunstwerkstätten herankamen, ist nicht mehr auszumachen; vielleicht
spielte es eine Rolle, daß Johannes Schlich aus Bell bei Maria Laach
stammte. Für September desselben Jahres 1927 läßt sich die Verbindung
mit Maria Laach aktenkundig machen (10. 9. 27): Karl Colombo schickte
seine Pläne dorthin. Bruder Notker antwortete sehr schnell. Am 23. 9. 27
schrieb Colombo an Dechant Schlich: „Wollen wir doch bei den
Benediktinern bleiben. Wir erhalten dann etwas Einheitliches und
Vornehmes.” In Maria Laach war man sich auch der geistlichen Beratung
durch Abt Ildefons Herwegen (27. 11. 1874 - 2. 9. 1946) sicher. Sein
Einfluß auf die Ausstattung der Saarbrücker Christkönig-Kirche, vor
allem auf die Mosaike, ist nachgewiesen. Abt Ildefons Herwegen war durch
seine Publikationen zum Thema der christlichen Kunst bekannt; er deutete
sie aus spiritueller und liturgischer Sicht und stellte entsprechende
Forderungen an eine gegenwärtige kirchliche Kunst. Seine Ideen lassen
sich leicht in seinem 1924 wiederabgedruckten Vortrag „Gedanken über
kirchliche Kunst” nachlesen. Das kirchliche Kunstwerk sollte fern allem
individuellen Subjektivismus stehen und der Gemeinschaft der Kirche und
der Gläubigen verpflichtet sein.
Besonders ertragreich
scheint die Konferenz in Maria Laach am 18. 6. 1928 gewesen zu sein,
über die Schlich einen Stichwort-Vermerk angelegt hat. Es wurden Stellen
aus der heiligen Schrift, besonders aus der Apokalypse, besprochen.
Bemerkenswert im Hinblick auf die bildhafte Ausstattung der Kirche ist,
daß diese eschatologische und apokalyptische Ausrichtung bei Cohausz
ganz zu fehlen scheint, in Maria Laach aber eine wichtige Rolle spielte.
Schlich notierte sich Herwegens Buch „Alte Quellen neuer Kraft” (Düss.
1920). Das thematisch der Apokalypse entnommene Chorbogenmosaik mit der
Anbetung der vierundzwanzig Ältesten wurde damals besprochen und
thematisch festgelegt. Lateinische und deutsche Inschriften wurden
verfaßt; weitere wurden angeregt. Dechant Schlich scheint im
Zusammenhang dieser Konferenz den Auftrag für folgende Werke praktisch
ohne den Kirchenvorstand erteilt zu haben (,,Dem Bruder Radbod habe ich
am 18. 6. selbständig zur Ausführung übertragen”): 1. Das
Christkönig-Bild im Chor; 2. Das
Triumphbogenmosaik; 3. Das
Schriftband; 4. Den Muttergottesaltar; 5. Den Josefs- oder
Herz-Jesu-Altar
(für den noch eine weitere Klärung erwünscht war).
Zum weiteren Verständnis ist es unerläßlich, auf den Hintergrund der zeitgenössischen Christkönig-Frömmigkeit und der Christkönig-Idee hinzuweisen. Am 11. Dezember 1925 hatte Papst Pius Xl. zum Abschluß des Heiligen Jahres in seiner Enzyklika ,,Quas primas” das Christkönig-Fest für die ganze Kirche eingeführt und auf den letzten Sonntag im Oktober gelegt. Nicht als sei dadurch erst die Christkönig-Frömmigkeit in Gang gekommen - diese datierte schon aus dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts. Die theologischen Wurzeln dieses Gedankens sind zudem in biblisches und liturgisches Erdreich eingesenkt. Darüber hinaus ist die Vorstellung vom Königtum Christi eine durchgängige Idee in der Theologie und auch der christlichen Kunst aller Jahrhunderte. Man denke nur an die Festinhalte von Epiphanie, Ostern und Himmelfahrt oder an die großen Portalzyklen der romanischen Kunst. Nur wurde dabei die Idee des Königtums weniger als ein Eigenes, weniger als ein Destillat, herausgestellt, sondern hatte ihren Zusammenhang und ihre gedankliche und künstlerische Einbettung je an Ort und Stelle. - Die Besonderung des Christkönig-Gedankens geschah dann im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts u. a. durch die ,,Société du règne social de Jesus Christ” (ca. 1870 in Paray-le-Monial) im Anschluß an die Herz-Jesu-Verehrung.
Aus heutiger Sicht ist man geneigt anzunehmen, daß das Christkönig-Fest als eine Art Zusammenfassung aller im Kirchenjahr ,,verstreuter” Christkönig-Elemente aufzufassen sei. Zudem hat die Verlegung dieses Festes vom letzten Oktobersonntag auf den letzten Sonntag im Kirchenjahr (Kalenderreform im Anschluß an die Liturgiekonstitution) dem Fest einen zugespitzt eschatologischen Charakter gegeben. - Blickt man aber in die Entstehungszeit des Festes, so stellt man eine andere Motivation als die liturgisch-spirituelle fest. Die von Pius Xl. so stark in den Vordergrund gestellte ,,actio catholica” ist in ihrer Gegnerschaft gegen den Laizismus in der Welt und den Faschismus in Italien zu verstehen. Im Kern unpolitisch und religiös ausgerichtet, sollte die Bewegung der actio catholica die Katholiken in den Stand setzen, ,,die Grundsätze des christlichen Glaubens und der christlichen Lehre allenthalben zu verbreiten, tatkräftig zu verteidigen und im privaten wie im öffentlichen Leben zur Geltung zu bringen.”
Liest man die zeitgenössischen Texte - die Enzyklika, die liturgischen
Texte, Erklärungen, Betrachtungen, Predigten, Lieder, Gedichte ... - so
weht einen die Begeisterung von damals heute noch spürbar an. Das gilt
auch für die , Blätter der Erinnerung”, die der Erbauer der
Christkönig-Kirche, Dechant Dr. Johannes Schlich, 1929 zur Einweihung
herausgab. Auf dem Hintergrund der Liberalität der damaligen Zeit und
der dann bald beginnenden nationalsozialistischen Ära (ohne jede
Liberalität!) gewann die Herausstellung des Königtums Christi eine
besondere Aktualität, die den neuen Machthabern besonders im Hinblick
auf die Jugend zu schaffen zu machen drohte. Bei Jugendlichen mit dem
Glauben an das Königtum Christi im Herzen hatte es der „Glaube” an die
Allmacht des Führers schwer. ,,Das Königtum Christi stellt Christus als
die höchste moralische Autorität auf Erden dar. Ihr sind alle Menschen
und Völker unterworfen” (Blätter zur Erinnerung 5. 10). Mehrmals ist in
den Erinnerungsblättern die Rede von der „großen, die Volker
verbindenden, überirdischen Autorität.” Man kann sich vorstellen, daß
der Verfasser und Herausgeber solcher Zeilen den Herrschern nach 1933
und nach dem ,,Anschluß” des Saargebietes nicht genehm war. Die
ikonologisch-theologische Erklärung der Christkönig-Kirche aus der Feder
eines Seelsorgers von 1929 ist auf jeder Seite durchdrungen von dem
Gedanken an das überirdische, aber gesetzgeberisch in diese Welt hineinwirkende Königtum Christi. Der Schlußsatz (S. 50) gibt die
Zusammenfassung:
,,So ist unser Gotteshaus in seinem Bau und in
seiner Ausstattung ein lebendiger Anschauungsunterricht über das
Königtum Christi, ja mehr, es führt uns unmittelbar zu Christus, dem
König hin und läßt uns in seinem Königtum den Frieden der Seele, das
ewige Leben, finden. Den höchsten König der Herrlichkeit, Christus, laßt
uns anbeten!”
Diese besondere Art der Christkönig-Frömmigkeit
ist inzwischen schon wieder Geschichte geworden, wenn auch ihr
theologisches Grundanliegen über den Wandlungen der Geschichte steht und
heute noch im Kirchenjahr und in der Theologie inhaltlich gegenwärtig
ist. Eine innerkirchliche Polemik gegen allen kirchlichen
„Triumphalismus” - so berechtigt diese Kritik auch im Detail gewesen
sein mag - hat auch das Verständnis der Christkönig-Frömmigkeit und
diese sogar selbst in Mitleidenschaft gezogen - so sehr, daß heute
vielen alles verdächtig ist, was irgendwie nach Triumphalismus riechen
könnte. Lassen wir alles vordergründige und innerweltliche Triumphgerede
beiseite - die Kirche ist seit der apostolischen Zeit keine
triumphierende; die triumphierende ist die im Himmel! - so bleibt
dennoch jener biblische Siegesgedanke
vom Gottesreich, von dem die
Schriften des Alten und des Neuen Testamentes voll sind. Es ist aber
immer nur ein Sieg wie der von Ostern: ein Sieg, der das Kreuz und den
Tod des Siegers zur Voraussetzung hat; und ein Sieg, der immer in eine
andere Welt hinein erfolgt. Gerade das ist in der Symbolik der
Saarbrücker Christkönig-Kirche gegeben und dargestellt.
Länge (total): ca. 65 m
Länge (innen): ca. 44 m
Breite (total):
ca. 24 m (ohne Seitenportal)
Breite (innen): ca. 23 m
Breite
(innen, Mittelschiff): 16,50 m
Breite (innen, Seitenschiffe): ca.
2,50 m
Höhe des Mittelschiffes (innen): 14,25 m
Höhe der
Chorkuppel (innen): 16,50 m
Höhe des Turms: 58 m