Pfarrgemeinde Christkönig
 

 

Der Bischof - Zeuge des österlichen Glaubens
Predigt im Gottesdienst zur Amtseinführung im Hohen Dom zu Trier

 
Bischof Reinhard Marx, 01.04.2002:

Liebe Brüder und Schwestern,

was meint ein Mensch eigentlich, wenn er sagt: Ich bin ein Christ? Immer noch bekennt sich schließlich die überwältigende Mehrheit unseres Volkes zum christlichen Glauben. Trotz aller Austrittswellen hat sich daran im Kern nichts verändert. Aber was genau damit gemeint ist, wenn jemand sagt: Ich bin ein Christ, ist sicher nicht mehr so klar. Untersuchungen zeigen, dass die Glaubenswelt der Christen sehr diffus und sehr bunt geworden ist und es immer schwerer wird, eine gemeinsame Glaubensüberzeugung zu formulieren. Ohne diese gemeinsame Grundüberzeugung hat der Glaube aber ein sehr undeutliches Profil und ist damit wenig anziehend. Ein Glaube ohne Konturen und klare Aussagen ist letztlich langweilig und uninteressant.


Wenn jemand als Erwachsener getauft wird, stellt man ihm zunächst die Frage: Was erbittest du von der Kirche Gottes? Und die Antwort lautet: den Glauben. Dann wird weiter gefragt: Was gewährt dir der Glaube? Und die Antwort: das ewige Leben. In diesem Zwiegespräch werden die Kernelemente christlicher Existenz auf den Punkt gebracht und von diesem Gespräch her können wir im Horizont der österlichen Botschaft neu erkennen und neu lernen, was das heißt, Christ genannt zu werden und Christ zu sein.


1. Der Glaube ist nicht Produkt unserer intellektuellen Bemühungen, Anstrengung unseres Verstandes, sondern zunächst Geschenk, Annahme einer frohen Botschaft, eines Evangeliums; Eintritt in einen Raum, der größer ist als das, was ich mit meinem kleinen Kopf fassen kann. Er ist so etwas wie das Akzeptieren einer Einladung, sich auf einen Weg zu begeben, der uns in eine unendliche Weite hineinführt. Dieser Weg ist aber nicht diffus, er ist sichtbar und konkret. Es ist der Weg der Kirche. Dieser Weg des Glaubens in der konkreten, sichtbaren Kirche ist für mich das größte Abenteuer des menschlichen Geistes.


2. Dieser Glaube eröffnet uns den Blick auf das ewige und unzerstörbare Leben, auf die Liebe, die stärker ist als der Tod! Christ sein ist nicht zunächst eine moralische Herausforderung oder ein ethisches Programm sondern die Entdeckung einer überwältigenden Wahrheit in der Begegnung mit einer Person. Das unbegreifliche Geheimnis Gottes kommt in Jesus Christus auf mich zu, zerbricht im Leben und Sterben und in der Auferweckung Jesu von Nazareth alle Mächte des Todes und eröffnet den Weg in die endgültige Freiheit.


Petrus bekennt genau dies in seiner ersten öffentlichen Predigt, wie wir in der ersten Lesung eben gehört haben: Diesen Jesus hat Gott auferweckt, dafür sind wir alle Zeugen! Und auch Paulus versteht sich als Zeuge dieser faszinierenden und unüberbietbaren frohen Botschaft, die der Grund ist, auf dem wir stehen. Genau das ist die zentrale Aufgabe des Bischofs in der Nachfolge der Apostel Petrus und Paulus und der anderen: Zeuge des österlichen Glaubens zu sein. So wird auch bei der Wahl des Apostels Matthias, unseres Bistumspatrons, als unabdingbare Voraussetzung genannt: „Einer von diesen muss nun zusammen mit uns Zeuge der Auferstehung sein“ (Apg 1,22b). Der Bischof - und dann auch alle Amtsträger der Kirche - sind nicht Verwaltungsdirektoren einer Wohltätigkeitsorganisation, nicht Präsidenten eine politischen Bewegung oder Manager eines Religionskonzerns, sondern vor allem und immer wieder, Zeugen des Evangeliums von der Auferweckung Jesu von Nazareth!


Nun kann ein Zeuge sich auch verhalten wie ein unbeteiligter Zuschauer, wie einer, der das Geschehen beobachtet aber selbst nicht beteiligt ist. Solche Zeugen sind bei Gericht außerordentlich hilfreich, aber nicht wenn es um die Weitergabe von Überzeugungen geht. Ein Bischof, der zwar Wegweiser wäre, aber den Weg selbst nicht ginge, wäre ein schlechter Zeuge. So brauchen wir alle, aber besonders die Bischöfe und Priester, immer wieder die Vergewisserung, ob wir auf dem Weg sind, den uns die österliche Botschaft zeigt. Wir brauchen die Umkehr und den Neuaufbruch, die Korrektur und die Überprüfung und Veränderung unserer Konzepte und Vorstellungen im Gespräch miteinander und im Blick auf den auferstandenen Herrn Jesus Christus. Genau dies wird uns im heutigen Evangelium in einer der wunderbarsten Texte des Neuen Testamentes erzählt, in der Geschichte von den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus und zurück nach Jerusalem.


Liebe Brüder und Schwestern, heute beginne ich meinen Weg als Bischof der ältesten Diözese Deutschlands. Mit meinen Gaben und Fähigkeiten will ich dieser Diözese als Zeuge der Auferstehung dienen. Viele Erwartungen und Hoffnungen verbinden sich mit einem solchen Neuanfang. Sicher werde ich nicht alle Erwartungen erfüllen können und dürfen. Enttäuschungen sind dann unvermeidlich. Aber wenn wir in dieser Diözese versuchen, den Weg gemeinsam zu gehen, in der Überzeugung, dass der auferstandene Herr in unserer Mitte ist und uns die Schrift auslegt und wir im Gespräch immer wieder unsere Vorstellungen und Wünsche korrigieren lassen und dann schließlich in der Feier von Tod und Auferstehung Jesu in der heiligen Messe die wunderbare Mitte unseres Glaubens erfahren, dann kann ich trotz aller Unsicherheiten diesen Weg mit Ihnen in Zuversicht und Freude gehen. Die Aufgabe des Bischofs ist, immer wieder daran zu erinnern, dass Jesus Christus mit uns geht und dass er uns das Brot bricht, dass wir - auch in ökumenischer Offenheit - in der Einheit der Kirche alle Zeiten bleiben und in der Gemeinschaft mit der Universalkirche, mit dem Nachfolger des Petrus. Auch die Emmaus-Jünger wussten, wo sie hingehören, als sie von Emmaus zurückgingen nach Jerusalem in die Gemeinschaft der apostolischen Kirche.


Hier in Trier sind die ersten Spuren des christlichen Glaubens in Deutschland zu finden. Hier ist die „Eingangspforte des Evangeliums auf deutschem Boden“, wie Papst Pius XII. einmal gesagt hat. Die Trierische Kirche ist schon einen langen Weg gegangen, der Glaube beginnt nicht mit dem Kommen eines neuen Bischofs. Über 100 Vorgänger habe ich im Amt des Bischofs von Trier bereits gehabt. Viele andere haben mitgewirkt, dass der Glaube hier in unserem Land, in unserer Diözese lebendig geblieben ist, durch alle Höhen und Tiefen der Geschichte hindurch. Ich möchte an dieser Stelle herzlich meinem verehrten Vorgänger, Bischof Dr. Hermann Josef Spital für seinen 20-jährigen Dienst in der Diözese Trier danken, für all das was der mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geleistet hat. Nicht vergessen darf ich auch den großartigen Dienst des Diözesanadministrators Weihbischof Leo Schwarz, der zusammen mit fleißigen und einsatzfreudigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Diözese in dieser Zwischenzeit sehr gut geleitet hat.


Liebe Brüder und Schwestern, oft wird heute gesagt, die Kirche befinde sich in stürmischen Zeiten, aber in gewisser Weise war das immer so. Deshalb habe ich mir für meinen Bischofsstab, den Sie auf dem Titelblatt des Liedheftes sehen, eine Szene aus dem Evangelium ausgesucht, die mir hilft immer wieder Kraft zu finden, den österlichen Glauben zu bezeugen. Der Künstler Michael Winkelmann hat die Begegnung Jesu mit dem Apostel Petrus auf dem See Genezareth dargestellt. Im Sturm kommt Jesus über den See auf die Jünger im Boot zu. Sie haben Angst. Petrus erkennt den Herrn und Jesus macht ihm Mut aus dem Boot auszusteigen und über das Wasser zu kommen. Petrus tut es, aber sein Kleinglaube und seine Ängste überwältigen ihn und er schreit: Herr, rette mich, ich gehe zugrunde! Und Jesus nimmt seine Hand und sagt: du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt? Dieses Bild macht mir Mut, wenn ich in den Dom von Trier einziehe und in die Kirchen unseres Bistums. Ich weiß, dass in allem Sturm und auch in der Versuchung meine Kleinmütigkeit und Kleingläubigkeit, der Herr mich mit seinen kräftigen Armen aus dem Wasser zieht und er dann immer wieder gemeinsam mit uns im Boot der Kirche, im Schiff Petri sitzt, das durch alle Stürme der Zeit sicher den Hafen des ewigen Lebens erreichen wird.


Amen.


Bischof Reinhard Marx